INTERVIEW | GUIDECOM UND WOLFF & MÜLLER
"Wir müssen Mitarbeiter und Potenzialträger gleichermaßen entwickeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben"
Talent Management bei Wolff & Müller
Gerade mittelständische Familienunternehmen stehen vor vielen Herausforderungen im Personalbereich. Dr. Julia Carbon, Geschäftsführerin der Wolff und Müller Personalentwicklung GmbH, erzählt im Interview, wie ein ganzheitliches Potenzialträgermanagement mit der GuideCom HR Suite das Familienunternehmen dabei unterstützt, diese Herausforderung zu lösen.
Branche: Bauunternehmen
Mitarbeiterzahl: ca. 2.100
WOLFF & MÜLLER wurde 1936 gegründet und ist heute eines der führenden Bauunternehmen Deutschlands in privater Hand. Das mittelständische Familienunternehmen mit Hauptsitz in Stuttgart ist überall dort vertreten, wo effektive, partnerschaftliche und innovative Lösungen gefordert sind: im Hoch- und Industriebau, Ingenieurbau, Stahlbau, bei der Bauwerkssanierung, im Tief- und Straßenbau sowie im Spezialtiefbau.
Liebe Frau Dr. Carbon, welchen Stellenwert hat aus Ihrer Sicht Talent Management für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen?
Aus meiner Sicht hat das Talent Management eine überlebensfähige Bedeutung für Unternehmen. Gerade in Anbetracht der aktuellen Trends und der vielen Herausforderungen, die gleichzeitig die Aufmerksamkeit von Unternehmen fordern.
Welche Themen sehen Sie hier zum Beispiel?
Wir haben eine ganz besondere Generation an Absolventen und Schulabgängern, die aus einem extrem verschulten System kommen und viele Sondersituationen wie den Klimawandel oder die Pandemie durchleben. Gleichzeitig hatte diese Post-Corona-Generation etwa durch fehlende Praktika bisher kaum Berührungspunkte mit dem Arbeitsalltag, denkt jedoch nach dem Studium, sie könne bereits die Welt verändern. Dazu kommen noch unheimlich hohe Erwartungen an Gehalt und den Job von Arbeitnehmern generell, während sich der Stellenwert von Arbeit je nach Lebensphase der Person extrem verändert. Das macht es für Unternehmen unglaublich schwierig, gute Leute zu finden, für sich zu gewinnen und anschließend neue Mitarbeiter gut im Unternehmen ankommen zu lassen. Die Antwort vieler Unternehmen hierauf ist eine Art Benefit-Bashing, bei dem alles Mögliche angeboten wird, damit die Leute unter allen Umständen zum Unternehmen kommen.
Was bedeutet das für Sie bei Wolff und Müller?
Gerade für mittelständische Familienunternehmen wie uns ist die Situation schwierig. Wir gehören weder zu den großen Branchen, noch gehören wir zu den großen Konzernen mit einer bekannten Marke, die aufgrund der Tarifverträge, wie im Bereich Metall, sehr gut vergüten. Wir sind ein Familienunternehmen mit 2.000 Mitarbeitenden, welches auch auf Basis eines Tarifvertrages gut bezahlt, aber eben mit diesen Angeboten nicht mithalten kann. Hier alleine zwischen Kandidatenanforderungen und wirtschaftlichen Möglichkeiten das passende Gehaltsniveau zu finden, ist eine Herausforderung. Wollen wir wettbewerbsfähig bleiben, ist es für uns daher unerlässlich, die richtigen Talente mit den für uns relevanten Zukunftskompetenzen zu finden oder auch bei bestehenden Mitarbeitern zu identifizieren, um diese gezielt weiterzuentwickeln.
Dr. Julia Carbon, Geschäftsführerin, Wolff & Müller Personalentwicklung GmbH„Wollen wir wettbewerbsfähig bleiben, ist es für uns daher unerlässlich, die richtigen Talente mit den für uns relevanten Zukunftskompetenzen zu finden oder auch bei bestehenden Mitarbeitern zu identifizieren, um diese gezielt weiterzuentwickeln.“
Wie hilft Ihnen dabei ein ganzheitliches Talent Managements?
Das beginnt schon bei der Planung. Viele glauben, dass Planung sich allein auf Köpfe, Kapazitäten und Personalkosten bezieht. Das ist meines Erachtens aber eine sehr kurz gegriffene Sicht. Eigentlich müssen wir uns Gedanken machen, wie wir die in der Zukunft benötigten Kompetenzen planen und damit einhergehend auch Planstellen und Rollen. Hier liegt der Fokus für uns also bereits anders. Die klassische Zahlenplanung ist damit am Ende des Tages nur ein Nebenprodukt der Kompetenzplanung.
Wie geht es nach der Planung weiter?
Mit der Teamzusammenstellung. Teams müssen auch unter Hochdruck perfekt zusammenarbeiten – wie bei einem Boxenstopp der Formel 1 oder einem Orchester. Hierfür braucht es ein Team, das in seinen Unterschiedlichkeiten perfekt zusammengesetzt ist. In dem jeder voneinander weiß, welche Kompetenzen vorhanden sind oder gebraucht werden, um dann richtig agieren zu können. Damit das möglich wird, benötigt es aber auch die richtige Führung, damit die Menschen in ihrer komplexen Unterschiedlichkeit entsprechend berücksichtigt und wertgeschätzt werden. Eine Herausforderung. Nicht nur, da immer weniger Menschen eine Führungsposition übernehmen möchten, sondern auch, da es aufgrund der steigenden Komplexität immer schwieriger wird, Menschen in solchen Konstellationen zu führen. Gerade wenn es dann noch um die Entwicklung dieser Mitarbeiter geht.
Inwiefern?
Alle Menschen möchten in ihren Bedürfnissen wahrgenommen und individuell entwickelt werden. Unternehmen haben aber im Zuge der Digitalisierung und Prozessorientierung die Aufgabe, ihre Stellen und Rollen standardisierter zu entwickeln, um gleichbleibende Qualität sicherzustellen. Unsere Buchhalter durchlaufen zum Beispiel hierfür alle zwei Jahre ein festgesetztes standardisiertes Seminarprogramm. In den jeweiligen Entwicklungsgesprächen haben wir aber auch sehr viele individuelle Entwicklungsthemen. Die Frage ist also, wie ich über Stellen- und Rollenprogramme die Mitarbeitenden ganzheitlich über einen Standard entwickeln kann, der trotzdem die individuelle Entwicklung unterstützt.
Insbesondere mit dem Wegfall der Babyboomer scheidet Erfahrung – und damit auch Wissen – aus den Unternehmen aus. Welche Rolle nimmt das Re- und Upskilling für Sie in diesem Kontext ein?
Das Thema wird immer wichtiger werden, da unsere Mitarbeiter ihren Job oft nicht mehr bis zur Rente ausführen können. Ganzheitliches Talent Management heißt daher für uns auch, dass wir alle Mitarbeiter gleichermaßen entwickeln müssen. Wir können es uns gar nicht mehr leisten, nur die „Jungen“ zu entwickeln, sondern wir müssen auch ältere Mitarbeiter dabei unterstützten, neue Kompetenzen zu erlernen und nicht nur eine Stelle, sondern mehrere Rollen zugleich auszufüllen; bis hin zu einer Jobrotation. Beispielsweise wenn ein Mitarbeiter nicht mehr den ganzen Tag auf der Baustelle arbeiten kann, fungiert er in der restlichen Zeit z.B. als Ausbilder und erläutert den neuen Auszubildenden, wie alles funktioniert oder wechselt in den Innendienst. Letztendlich geht es darum, den passenden Job zum passenden Teil der Mitarbeiter-Journey zu identifizieren, in der die Person sich aktuell befindet. Das gilt nicht nur für Mitarbeitende, die in Rente gehen, sondern heutzutage auch für Eltern kleiner Kinder und pflegende Familienmitglieder. Das bedeutet für Unternehmen, dass sie mehr Flexibilität bei den Aufgabenpaketen zeigen müssen, die es zu erfüllen gilt und wie diese strukturiert sind und übergeben werden. Das bedeutet gleichzeitig aber auch, dass wir im Wissensmanagement deutlich besser werden müssen, damit jemand überhaupt den Job eines anderen gut übernehmen kann – und das über alle Unternehmensbereiche hinweg. Heißt auch, dass das Onboarding, auch für bestehende Mitarbeitende, in neue Rollen immer wichtiger wird, um den Job an die Bedürfnisse und Neigungen des Mitarbeitenden anzupassen.
Trotzdem verlassen manche Mitarbeiter irgendwann das Unternehmen – aufgrund ihres Alters oder aus anderen Gründen. Kann ein ganzheitliches Talent Management auch hier unterstützen?
Ja. Im laufenden Prozess ist immer die Frage, wer bleibt, wer geht und, falls das der Fall ist, zu welchem Zeitpunkt. Um das herauszufinden, benötigen wir die passenden Instrumente, die uns bei diesem Prozess begleiten. Das sind aus meiner Sicht Mitarbeitergespräche, Feedbacks, Risikoanalysen, Nachfolgeplanung und unsere Zielorientierung.
Dabei nutzen viele Unternehmen ja schon einige oder sogar all dieser Instrumente.
Das stimmt, aber aus meiner Sicht benötigen wir eine Weiterentwicklung. Wir benötigen ein permanentes 360-Grad-Feedback und Feedbackgespräche, die sich in Mitarbeitergesprächen entwickeln mit guten Bewertungsmöglichkeiten, um die Vielfalt, die ein Mitarbeitender mitbringt, überhaupt abbilden zu können. Zudem brauchen wir Möglichkeiten, um auch ganzheitlich sichtbar zu machen, wer Potenzialträger im Unternehmen ist. Hier wird es vor allen Dingen darum gehen, Laufbahnen transparent zu machen und eine Antwort auf die Frage zu finden, wie ich meine Mitarbeiter auf diesen Laufbahnen bewegen kann; standardisiert, aber eben auch individuell.
Dr. Julia Carbon, Geschäftsführerin, Wolff & Müller Personalentwicklung GmbH„Jetzt setzen wir mit der GuideCom HR Suite bewusst auf ein integriertes System, weil alle Daten an einem Ort liegen und ich die Möglichkeit habe, diese miteinander zu verknüpfen, da die unterschiedlichen Bereiche miteinander kommunizieren.“
Sie sprachen gerade auch von einer Risikoanalyse. Was verstehen Sie unter diesem Begriff?
Es wird immer spannender herauszufinden, inwiefern ich bereits im Vorfeld ein gewisses Risiko spezifizieren kann, ob ein Mitarbeiter geht und wenn ja, woran ich diesen Zeitpunkt frühzeitig erkennen kann – um gegenzuwirken. Gerade Datenauswertungen und KI werden hier meines Erachtens in den nächsten Jahren zu einem Durchbruch führen.
Wo stehen Sie mit Wolff und Müller bei diesem Prozess?
Wir tun schon viel und sind auf einem guten Weg zu einem ganzheitlichen Talent Management, aber es wird noch Jahre der Digitalisierung brauchen, die uns Transparenz in den entscheidenden Bereichen gibt. So haben wir eine digitale Mitarbeiter-Akte, in der zwar die Qualifikationsnachweise der Seminare stehen, nicht aber ein Überblick der Kompetenzen des jeweiligen Mitarbeiters, beginnend damit, welche Sprache diese Person spricht. Pro Jahr entwickeln wir zudem aktuell ca. zehn Stellen- und Rollenprogramme. Aber da werden wir noch einige Jahre brauchen, bis wir diese für alle Rollen definiert haben. Insgesamt müssen wir vor allem im Abbilden von Potenzialen und Kompetenzen wesentlich besser werden, denn aktuell befinden wir uns noch im Bereich einer reinen Köpfe- und Kapazitätenplanung. Hier sind wir noch dabei, alles standardisiert, transparent und digital abzubilden. Aber es darf bis zu meiner Rente 2053 ja noch Aufgaben für mich geben.
Wie unterstützt Sie die GuideCom HR Suite bei dem Prozess hin zu Ihrem ganzheitlichen Talent Management?
Die GuideCom HR Suite unterstützt uns maßgeblich. Wir haben die Plattform bereits in Form mehrerer Apps von der Mitarbeiterakte und Service, über Young Talents und Academy bis hin zu Feedback im Einsatz, um unser Talent Management abzubilden – alles in der Cloud. Damit haben wir bereits einen enormen Schritt in die richtige Richtung gemacht, auch wenn wir noch nicht alle Apps vollumfänglich nutzen. Aber einige Apps, wie Planung oder Potenziale werden noch folgen.
Warum haben Sie sich für die GuideCom HR Suite entschieden?
Für uns kam nur ein vernetztes System infrage. Zuvor hatten wir viele kleine Insellösungen. Jetzt setzen wir mit der GuideCom HR Suite bewusst auf ein integriertes System, weil alle Daten an einem Ort liegen und ich die Möglichkeit habe, diese miteinander zu verknüpfen, da die unterschiedlichen Bereiche miteinander kommunizieren. Zudem spricht das System unsere Sprache und passt sich unseren Prozessen an. Wir können die Suite selbst gestalten.