Interview mit Pranjal Kothari, Sparkasse Bremen
Wie lassen sich Prozesse innerhalb der Marktfolge effizienter gestalten und welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Marktfolge von morgen?
Die Marktfolge ist der Qualitätsgarant im Kundenkontakt
Wie lassen sich Prozesse innerhalb der Marktfolge effizienter gestalten und welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Marktfolge von morgen? Auf diese Fragen gibt Pranjal Kothari, Chief Digital Officer und Vorstand der Sparkasse Bremen, Antworten im exklusiven Interview.
Herr Kothari, wo stehen Sie mit der Organisation der Marktfolge in Ihrem Haus?
Wir haben mit der Netzwerkorganisation vor zweieinhalb Jahren eine besondere Organisationsform für unser Haus gewählt, in der wir fast hierarchielos arbeiten. Die einzige Hierarchieebene, die wir noch haben, ist der Vorstand. Ein mindestens fünf Jahres Projekt mit vielen kulturellen Transformationen, bei dem wir jeden Monat die nächsten kleinen Schritte gehen.
Für die Marktfolge bedeutet diese Veränderung eine zusätzliche Herausforderung: Wir halten natürlich ganz klar weiterhin die regulatorischen Richtlinien ein. Etwa, dass Markt und Marktfolge nicht gemischt werden dürfen oder Projektkompetenzen trotz fehlender Hierarchie eingehalten werden. Gleichzeitig nimmt die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter in der Marktfolge deutlich zu und wir versuchen, jedem Einzelnen das Maximum an Freiheit und Entscheidungsbefugnis zu ermöglichen.
Wie genau sieht diese Eigenverantwortlichkeit aus?
Es werden nur noch Entscheidungen an den Vorstand gegeben, die ein hohes Risikogehalt besitzen oder strategisch oder gesetzlich bzw. regulatorisch vom Vorstand getroffen werden müssen. Formell haben wir diese Denkweise schon seit zweieinhalb Jahren, aber sie etabliert sich auch immer mehr in den Köpfen der Menschen.
Wie haben die Marktfolge-Mitarbeiter auf die Umstellung reagiert?
Das war auch für sie eine Herausforderung – wie für fast alle Kolleginnen und Kollegen. Gerade da die Marktfolge stärker als andere Teams unter starken regulatorischen Vorgaben arbeitet. Die Reaktionen waren und sind dementsprechend sehr unterschiedlich und immer von der jeweiligen Person und dem Team abhängig. Manche Menschen kommen sehr gut mit der Struktur zurecht, andere brauchen einfach ihre Zeit. Wir merken aber auch, dass das System immer besser angenommen wird. Alle drei Monate führen wir eine Mitarbeiterbefragung durch. Diese Ergebnisse zeigen uns, dass es zum einen eine deutlich steigende Akzeptanz gibt, es zum anderen aber weiterhin Themen gibt, wo wir viel Unterstützung brauchen.
Wie reagieren Sie auf Ängste und Sorgen der Mitarbeiter in so einer Situation?
Ich persönlich reagiere mit einer Mischung aus brutaler Ehrlichkeit und trotzdem sehr viel Mitgefühl. Die Zukunft wird kommen, wie sie kommt. Und es macht keinen Sinn, meinen Mitarbeitern etwas anderes zu sagen.
Was genau meinen Sie damit?
Wir wissen, welche Rolle KI und Automatisierung - gerade in der Marktfolge - schon sehr bald spielen werden und müssen. Es ist klar, dass immer mehr automatisiert werden muss: von der Datenerfassung über die Datenanalyse bis hin zu Regelentscheidungen. Auf Konsumentenseite merken wir schon länger, wie viele Entscheidungen schon automatisiert getroffen werden. Und das wird sich auch bei den größeren Geschäften immer mehr durchsetzen. Natürlich werden die Prozesse nie zu 100 Prozent automatisiert sein, der automatisierte Teil wird und muss aber kontinuierlich zunehmen. Sowohl aus Sicht des Marktes als auch der Marktfolge müssen wir uns daher fragen, wo der Mensch für den Kunden tatsächlich einen Mehrwert schafft und wir somit mehr statt weniger Menschen an diesen Prozessschritten benötigen. Und an welchen Stellen wir eine Automatisierung nutzen, um die benötigten Kapazitäten freizusetzen und diese an den für den Kunden wichtigen Stellen zu investieren.
Ist nicht genau das der Faktor, der den Menschen Angst macht?
Natürlich. Wir müssen daher sehr viel Verständnis haben, die Menschen mitnehmen, aber eben auch immer wieder erklären, dass sich die Welt in diese Richtung drehen wird – entweder mit uns oder ohne uns. Wir müssen diese Ängste anpsrechen, auf die Menschen zugehen und genau erklären: Deine Tätigkeit ist weiterhin wichtig. Vielleicht wird es eine andere als vor zwei oder fünf Jahren, aber eben immer noch sehr wichtig.
Ist die Regulatorik für die Veränderung in der Marktfolge eine starke Hürde?
Für mich ist die Regulatorik nie eine Hürde, sondern unsere Rahmenbedingung. Diese muss eingehalten werden wie die Leitplanken auf der Autobahn und wir müssen schauen, wie wir uns innerhalb dieser Leitplanken bewegen können. Trotzdem sehen wir, dass die Leitplanken enger werden, mit jedem Jahr ein Stück mehr. Die Freiheit der einzelnen Institute und auch der einzelnen Mitarbeitenden wird dadurch immer weniger. Das führt auf der einen Seite dazu, dass teilweise mehr manuelle Schritte dazu kommen, mehr Pflichten und mehr Prüfungshandlungen – auf der anderen Seite aber auch immer mehr automatisiert werden kann und muss. Ich glaube, hier befinden wir uns in einem Balanceakt, der das richtige Gleichgewicht benötigt.
Wie lässt sich die Effizienz in der Marktfolge erhöhen?
Natürlich spielt die Digitalisierung, gepaart mit den Möglichkeiten von KI, eine wichtige Rolle bei der Effizienzsteigerung. Aus unserer Sicht wird diese aber auch sehr stark durch das Thema der Entscheidungsstrukturen beeinflusst. Um immer die Balance zu finden zwischen Risiko, Kosten und Effizienz – und auch unter dem Gesichtspunkt der Time-to-Market. Denn jeden Tag, denn wir länger bei der Entscheidungsfindung benötigen ist ein Tag, an dem der Kunde länger auf sein Geld warten muss. Oder ein Tag, an dem der Wettbewerber Zeit hat, ein besseres Produkt anzubieten. Es passiert leider sehr oft, dass Entscheidungen innerhalb der Silos hocheskaliert, oder beinahe schon hochdelegiert, werden. Indem jede Entscheidung von dem und nur dem richtigen Kompetenzträger getroffen wird, kann Mehraufwand vermieden und der organisatorische Prozess deutlich beschleunigt werden.
Spielen sich ändernde Kundenbedürfnisse bis in die Marktfolge hinein oder sehen Sie diese vor allem als Herausforderung für den Vertrieb?
Es kann gar nicht anders sein, als dass das Thema für jeden im Unternehmen an Bedeutung gewinnt. Die Marktfolge hat eine enorm wichtige Rolle. Auf der einen Seite muss sie darauf achten, dass der Vertrieb „keinen Unsinn treibt“ – das ist auch regulatorisch so definiert. Auf der anderen Seite ist die Marktfolge der Garant zum Beispiel für die Qualität und Geschwindigkeit eines Kredits oder, wenn man die Marktfolge etwas weiter inklusive der Sachbearbeitung definiert, die Qualität Und Geschwindigkeit aller Entscheidungen und Dokumentationen. Und das sieht der Kunde. Die Marktfolge spielt aber auch eine wichtige Rolle, wenn wir einen Kredit absagen oder einen Vorgang nicht machen wollen, um den Marktkollegen dabei zu unterstützen, eine andere Lösung für den Kunden zu finden. Auch wenn es auf den ersten Blick also vielleicht nicht so aussieht, ist die Marktfolge essenziell für die Kundenzufriedenheit – in Zukunft mehr denn je.